„Wir sind gerade dabei, die schwierigsten Pfeiler trockenzulegen“, erklärt Bernhard Ivo vom DBM. Sein Team ist in der Zwischenzeit gut vorangekommen, hat oberhalb der Brücke schon tonnenweise Material vor dem mittleren Segmentbogen in die Lahn abgesenkt. Aktuell bauen sie die gleiche Barriere unter dem Bogen, um den gesamten mittleren Bereich unterhalb der Brücke trockenlegen zu können. „Das müssen wir machen, damit in der nächsten Woche wieder die Gerüstbauer anrücken können, um das Traggerüst fertigzustellen“, erklärt er. „Wir müssen also gut und schnell arbeiten, damit die nachfolgenden Firmen pünktlich mit ihrer Arbeit beginnen können.“
Denn: Die Pfeiler müssen trockengelegt sein, damit auf den Betonfundamenten der Brücke das Traggerüst aufgestützt werden kann. Das Traggerüst wiederum ist unbedingt notwendig, damit die Weidenhäuser Brücke bei den Arbeiten an der Fahrbahn keinen Schaden nimmt. „Durch die Erschütterungen könnte die Brücke sonst zusammenbrechen“, erklärt Baudezernent Bürgermeister Wieland Stötzel. Das Traggerüst ist also eines der wichtigsten Elemente bei der derzeit laufenden Sanierung des historischen Brückenbauwerks.
Unter dem rechten und linken Bogen stehen die Traggerüste bereits. Das Flussbett hatten die Mitarbeiter des DBM dort schon trockengelegt, damit die Gerüstbauer arbeiten konnten. Anschließend haben sie die sogenannte „Wasserhaltung“ wieder abgebaut. Unter den äußeren Bögen kann die Lahn wieder ungehindert fließen. Besondere Herausforderungen bietet nun allerdings der mittlere Teil. „Wir müssen ein 22 Meter breites Stück Lahn trockenlegen“, so Joachim Brunnet, Betriebsleiter des DBM. Dabei ist die Lahn hier mit aktuell 2,80 Meter sogar bei Niedrigwasser am tiefsten – außerdem ist dort die Hauptströmung. „Die Wasserhaltung muss hier einen Druck von 50 bis 70 Tonnen aushalten“, erklärt Ivo. Diesem Druck stellt sich das Team vom DBM mit 20 Kubikmetern Holz und 300 Tonnen Stampflehm entgegen: Sie fertigen sogenannte Verbaukästen aus dem Bauholz. Diese werden dann in die Lahn gesetzt und jeweils mit rund 17 Tonnen Lehm gefüllt. Nebeneinander gesetzt verdrängen sie das Lahnwasser in die seitlichen Durchlässe. „Weil der Druck so groß ist, setzen wir V-förmig noch große Sandsäcke vor die Kästen. So wird der Druck verteilt“, erklärt Ivo.
Eine weitere Herausforderung: Der begrenzte Platz und die Gewichtsbeschränkung auf der Weidenhäuser Brücke. „Das ist eine logistische Herausforderung, die unsere Mitarbeiter bisher sehr gut gemeistert haben“, lobt Brunnet. Die Materialien, die in die Lahn hinabgelassen werden, werden sukzessive – so wie sie benötigt werden – angeliefert. Ein spezieller Anbau-Kran an einem LKW hebt die Kästen und Säcke hinab.
„Wir haben hier Spezialtiefbau“, erläutert Ivo. Er kenne keine Firma, die diese Arbeiten so umsetzen würde. „Die meisten Firmen legen Gewässer mit sogenannten Spundwänden trocken. Die müssen aber in den Boden eingetrieben werden. Das geht hier bei der Weidenhäuser Brücke nicht mehr, da bei der Ertüchtigung 2001 ein breiter Betonkranz um die Pfeiler gegossen wurde.“ Er habe daher kreativ werden müssen, sich in zwei schlaflosen Nächten überlegt, wie der DBM die Trockenlegung der Pfeiler übernehmen könnte.
Die Arbeit ist nicht einfach: Die Mitarbeiter müssen die Kästen sichern und richtig platzieren – obwohl die Strömung dies deutlich erschwert. Dabei tragen sie zur eigenen Sicherheit Schwimmwesten. „Aber es sind Profis“, betont Ivo. „Unser Personal ist geschult für Hochwasserschutz und Schäden an den Wehren. Sie sichern die Lahn im Notfall so ab, dass der Stadt Marburg und den Menschen nichts passiert, haben also Erfahrungen mit der Lahn und ihren Strömungen.“
Brunnet und Stötzel lobten neben der Kompetenz auch die besondere Einsatzbereitschaft: Die Mitarbeiter des DBM sind auch über die normalen Arbeitszeiten an der Weidenhäuser Brücke zwischen 7 und 18 Uhr hinaus im Einsatz. „Das ist ein besonderer Einsatz für dieses Bauprojekt“, so Stötzel. Er erklärt, dass die Arbeiten im Zeitplan liegen, die weiteren an der Brücke beschäftigten Baufirmen gemäß ihren Einsatzplänen weitermachen können. Parallel zum DBM sind das aktuell etwa die Steinmetze. Aber auch die Gerüstbauer starten in den nächsten Tagen ebenfalls wieder mit dem Montieren der Traggerüste. Dann wird es wieder noch enger auf der Brücke: „Das ist eine Herausforderung. Aber hier arbeiten viele Menschen mit viel Knowhow zusammen und koordinieren das Projekt erfolgreich“, betont Stötzel.